top of page
AutorenbildLea

Alles kommt anders... aber gut.

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Wer schon mal die RCA oder ein anderes afrikanisches Land besuchte, weiss, was wir meinen. Planen ist in solchen Ländern generell eher schwierig. Doch der Rück- bzw. Weiterflug aus der RCA musste natürlich im Vornherein gebucht sein. Wir hatten Tickets für den Abflug am 27.12. ab Bangui bis Paris. Weiterflug am 29.12. ab Paris via Panama nach Montevideo. Wer ahnt’s? Selbstverständlich kam es anders…

 
Sonnenuntergang in Bangui

Anfangs Dezember flog Cornelia, eine Freundin der Eltern von Lea, nach Bangui. Es ist bereits ihr vierter Besuch in die Zentralafrikanische Republik. Sie kommt jeweils um das lokale Hilfswerk in Themen Buchhaltung zu unterstützen. Am 20.12. sollte ihr Flieger ab Bangui abheben, damit sie pünktlich an Weihnachten zu Hause bei ihrer Familie sein könnte. Am Vortag erhielt sie das Ticket, doch eine Stunde später dann die Meldung: Ihr Flug wurde annulliert. Wir erfahren, dass der AirFrance-Flug drei Tage vorher ebenfalls annulliert worden war. Es gab einige Unruhen in der Hauptstadt Bangui, die uns vermuten lassen, dass das Nichtfliegen von AirFrance eine rein politische Angelegenheit ist. So müssen wir davon ausgehen, dass diese Fluggesellschaft für eine längere Zeit nicht mehr nach Bangui fliegt. Wir diskutieren, telefonieren, mailen und suchen nach einer Lösung. Flugzeuge mit anderen Fluggesellschaften ab Bangui (da gibt’s nicht viele) sind alle ausgebucht. Und dann die Frage für uns: was, wenn unser Flug, der sieben Tage später fliegen soll, auch nicht geht und wir unseren Anschlussflug nach Montevideo verpassen? So entschieden wir uns schliesslich, via Landweg in den benachbarten Kamerun zu reisen und die Flugtickets umzubuchen um nicht ab Bangui, sondern ab Douala (Kamerun) auszureisen. Cornelia soll am 25.12. und wir am 27.12. fliegen. Leider reicht es für sie nicht mehr, Weihnachten zu Hause zu verbringen…


Soweit so gut. Nur noch schnell das kamerunesische Visum beantragen und los geht’s! So würde man in der Schweiz denken. Aber so einfach ist das eben nicht…

Jacob, ein Freund vor Ort, sucht für uns heraus, welche Unterlagen wir für ein Visum benötigen. Wir machen einen Covid-Test, ein Passfoto und gehen mit allen weiteren Unterlagen zur kamerunesischen Botschaft. Dort heisst es erstmal: Warten. Die Dame überfliegt unsere Unterlagen. Nach ungefähr zwei Stunden, die wir im Wartezimmer der Botschaft verbracht haben, entscheiden wir uns, nach Hause zu gehen und am Nachmittag zurückzukommen. Um ca. 14.30 Uhr geht Lea’s Vater mit allen Unterlagen nochmals hin: Es ist jedoch schon geschlossen. «Kommen sie morgen wieder», heisst es. Eigentlich wollten wir an ebendiesem nächsten Tag bereits losfahren…

Am nächsten Tag wieder die Fahrt zur Botschaft: Vieles ist gut, aber: Wir brauchen noch ein weiteres Dokument, um das Visum ausstellen zu können. Um an dieses Dokument zu kommen (wir wissen alle gar nicht so genau was das war) musste die Migrationsstelle der RCA eingeschaltet werden. Wieder warten… Bis heute wissen wir nicht genau warum und wie das so schnell geklappt hat, jedenfalls hatten wir am Nachmittag diesen Zettel bereits in der Hand!

Anschliessend sofort nochmals die Fahrt zur Botschaft: Soweit so gut. ABER es fehlt noch eine «Lettre d’invitation» als Erklärung, warum wir überhaupt in der RCA sind. Oder irgendwie so. Wir glauben diese Geschichte bald selber nicht mehr…

Diesen Brief verfassen wir selbstverständlich sofort. Um ca. 15.00 Uhr gehen Mario und Kusi nochmals zur Botschaft – um diese Zeit war am Vortag schon geschlossen. Die nette Dame versicherte allerdings, heute länger im Büro zu sein.

Sie kommen an, die Dame prüft alles. Ihr Vorgesetzter, derjenige, der das Visum ausstellen könnte, will in diesem Moment das Büro verlassen. Er meint: «Kommt morgen um 14.00 Uhr wieder.» (Das wären dann ungefähr 30 Stunden nach unserer eigentlich geplanten Abfahrtzeit). Kusi spricht mit dem Mann und versucht unsere Situation zu erklären. Nach langem Hin und Her: «Ok, gut. Ihr könnt morgen, 9.00 Uhr kommen». Der Herr verlässt das Büro nun endgültig. Trotz dieser einigermassen positiven Nachricht sind wir alle extrem frustriert! Was, wenn es morgen Vormittag auch nicht klappt? Die Zeit drängt langsam… Wir als Schweizer können dieses Hin und Her eindeutig nicht mehr einordnen! Standardisierte Prozesse wie wir sie kennen gibt es nicht. Alles läuft über Beziehungen und Gespräche – für unser Empfinden gar etwas «willkürlich».

Wir müssen alle den Kopf lüften und entscheiden uns, noch spazieren zu gehen. Es ist halb sechs am 22.12, die Sonne geht unter. Plötzlich klingelt das Telefon von Kusi. Es ist die Dame der Botschaft: «Sie müssen sofort, augenblicklich in die Botschaft kommen!» «Alles klar, ich komme sofort.»

Und man glaubt es nicht: Kusi kommt mit unseren Pässen MIT Kamerun-Visum zurück! Der Herr der Botschaft ist nach dem Gespräch offenbar, wider erwarten, doch nochmals zurück ins Büro und hat unsere Visa ausgestellt. Die Dame meinte bei der Übergabe zudem noch: «Eigentlich hat mein Vorgesetzter nur drei Tage Transit-Visum bewilligt, aber irgendwie hat der Computer fünf daraus gemacht; das Visum ist gültig bis am 27.12.» - genau unser Abflug-Datum! Drei Tage Visum hätten nicht gereicht für uns… Ja, wir glauben an Wunder!



LOS GEHT'S

Am nächsten Morgen um 8.30 Uhr geht’s los. Aufladen, allen Tschüss-Sagen und dann führt uns der Chauffeur Armel bis an die kamerunische Grenze, wo wir dann den Überlandbus von der Grenzortschaft bis nach Douala nehmen sollen - einmal quer durch den Kamerun. Bis zur Grenze sind es ungefähr 600 km. Die Strassen sind im Vergleich zu unserer Autofahrt vom Hinterland zurück in die Hauptstadt aber in gutem Zustand. Wir kommen zügig voran. Im ganzen Land gibt es Militärbarrieren, meist an den Ortsein- und ausgängen. Man weiss nie so genau, wie lange man bei einer Barriere warten muss. Um genau dem Vorzubeugen, haben wir einen befreundeten Soldaten als Begleiter dabei. Dank ihm kommen wir bei allen Barrieren gut durch, denn es sind ja seine Berufskollegen, die die Barrieren bewachen.

100 km vor der Grenze werden wir gestoppt. Die Leute an der Barriere erzählen uns, dass sich vor ungefähr zwei Stunden 50 km entfernt ein Überfall auf ein Militärauto ereignete. Zwei Soldaten verloren dabei ihr Leben. Man wisse weder wer es war, noch was das Motiv dahinter war. Wir haben überhaupt nicht mit einem solchen Zwischenfall gerechnet, da die Route von Bangui bis zur Grenze als sehr sicher eingestuft wird. Es ist die Hauptverkehrsachse für den Gütertransport zwischen dem Kamerun und der RCA. Im Vorfeld gab es keine Anzeichen für ein solches Geschehen. Trotzdem sind Überfälle, auch bewaffnete, in der RCA leider nicht selten; es ist nach wie vor ein Land, das sich im Bürgerkrieg befindet.

Wir sollen hier übernachten und morgen weiterfahren, es sei zu gefährlich. Die Strasse sei ohnehin gesperrt und es komme niemand mehr durch. Nur ein Fahrzeug der offiziellen Sicherheitskräfte sollte bald noch kommen, um die Leichen abzutransportieren.

Unser Begleiter meint dann zu seinen Berufskollegen: «Können wir denn nicht gerade dieses Auto als Begleitschutz nutzen, um sicher durch diese Zone zu kommen? Es gibt keinen sichereren Moment diese Stelle zu passieren als jetzt. Kurz nach dem Überfall und begleitet von einem Fahrzeug der Sicherheitskräfte.»

Das erwähnte Auto kommt und der Chef im Fahrzeug entscheidet, uns mit unserem Auto tatsächlich im Konvoi mitfahren zu lassen. Wir fahren los. Es ist dunkel. Wir wissen nicht so genau, was uns jetzt erwartet. Wir fahren vorbei an einer langen Kolonne von Fahrzeugen. Alle müssen warten, weil die Strasse tatsächlich gesperrt wurde. Unsere Begleiter, der Fahrer und der Soldat, steigen aus und sprechen mit den Leuten. Kurz darauf kommen die beiden zum Auto zurück: «C’est bon», sagt der Soldat. Es geht weiter. Zuerst das Fahrzeug der Sicherheitskräfte und dann wir. Die erste Absperrung ist passiert. Plötzlich halten wir wieder an. Viele Leute, viele Autos. Unser Fahrer und der Militär-Begleiter steigen wieder aus. Wir fünf Schweizer im Auto sind still, sehr still, wagen kaum zu atmen. Bange Minuten vergehen. Denn wir wissen, dass hier die Entscheidung fallen wird, ob wir durchkommen oder doch noch umkehren müssen. Nun wissen wir, wie es sich anfühlt, wenn Luft zum Schneiden ist. Unser Begleitsoldat kommt zurück zum Auto und sagt wieder: «C’est bon». Wir können weiterfahren. Wir wissen nicht warum. Es ist einfach so. Ein Wunder, nochmal. Denn wir erfahren, dass nach dem Überfall bis zum darauffolgenden Mittag kein einziges anderes Auto durch diese Absperrung fahren konnte, nur das unsere!

«C’est bon!» Diese Worte, und die Art wie sie unser Begleitsoldat gesagt hat, werden wir so schnell nicht vergessen.

Am Abend spät fahren wir in die Grenzortschaft ein, wo für uns in der Kirche schon ein Znacht und ein Bett zum Schlafen bereitgemacht wurde. Wir kennen den Polizei-Colonel welcher uns am nächsten Tag helfen soll, über die Grenze zu kommen.

Dieser nächste Tag startet früh: Packen, Frühstücken. Zähne putzen. Um halb acht sind wir abfahrbereit. Der Colonel hat bereits alles erledigt für die RCA-Ausreise. Wir fahren mit ihm zur Grenze und sind froh, dass er mit all unseren Pässen ins Büro auf der kamerunischen Seite geht und die ganzen Formalitäten für uns erledigt. Nach etwa 50 Minuten warten im Auto kommt er mit den Einreisestempeln zurück.


Geschafft! Bonjour Cameroun!

Um zehn Uhr kommen wir bei der Bussation der kamerunischen Grenzortschaft Garoua-Boulaï an. Wir buchen ein Ticket. Leider fährt der nächste Bus erst um 15.00 Uhr. Und die Fahrt von Garoua-Boulaï bis nach Douala soll nicht 10 Stunden, wie wir das zuvor im Internet gelesen haben, sondern 15 Stunden dauern…! Kein Problem, Heiligabend haben wir uns genauso vorgestellt: Vormittags warten am Busbahnhof, Nachmittags und Nachts in einem Überlandbus. :) Ich meine ja nur, Maria und Josef waren an Heilig Abend ja auch unterwegs…

Um 15.00 Uhr kommt der Bus. Die Fahrt ist, sagen wir mal, anstrengend. Es gibt weder zu Essen, noch eine Toilette. Es ist unglaublich heiss und sti(n)ckig. Zwischendurch hält der Bus an und wir können wenigstens aussteigen und uns die Beine vertreten.

Nach ganzen 17 Stunden in diesem Bus kommen wir am 25.12. morgens um acht Uhr endlich in Douala an. Wir fahren mit einem Taxi zum Hotel. Funfact: das Hotel hatten wir vom 23.12. bis 25.12 gebucht gehabt. Als wir ankommen ist aber bereits der 25.12. Alles ging deutlich länger als geplant, Afrika halt. :) Aber hauptsache angekommen! Wir suchen ein schönes Restaurant am Fluss, um einen gebührenden Weihnachtsbrunch zu geniessen.


Nach dem Abendessen bringen wir Cornelia zum Flughafen. Als wir vier, Kusi, Esthi, Mario, Lea, zurück ins Hotel kommen, gehen wir auf die Dachterrasse und stossen bei schöner Aussicht und Weihnachtsguetzli doch noch auf Weihnachten an. – Ja, wir hätten uns Weihnachten mit Leas Eltern definitiv anders vorgestellt. :)

Der nächste Tag macht vieles von dem Wett, was wir zuvor erlebten. Wir fahren zu einer Schimpansen-Sanctuary (Auffangstation für diese Tiere). Auf Google Maps hatte Mario im Vorfeld einen Nationalpark nahe Douala entdeckt. Wir fahren hin. Ausser einem Schild mit der Beschreibung zum Nationalpark ist jedoch nichts mehr davon übrig. Wir fragen uns durch und kommen schlussendlich an. Zwar nicht bei einem Nationalpark, dafür bei der beschriebenen Schimpansen-Sanctuary. Mit einem Motorboot gelangen wir zu verschiedenen Inseln, wo die Schimpansen leben, und ihnen täglich Futter vorbeigebracht wird. Ansonsten leben die Tiere auf sich alleine gestellt. Das Ziel ist es, die dort aufgezogenen Tiere später wieder auszuwildern. Was für ein Erlebnis! Und schöne Bilder hat's auch gegeben!



Am 27.12. am Abend geht dann auch unser Flieger und es heisst Tschüss-Sagen. Jetzt haben wir wirklich allen Tschüss gesagt und für uns geht die Reise weiter. Ein spezielles Gefühl...

Wir fliegen in der Nacht und kommen am frühen Morgen am 28.12. in Paris an. Dort geht’s ins Hotel. Selbstverständlich können wir es uns nicht entgehen lassen, noch einige Stunden in der Stadt Paris zu verbringen. Alles ist noch sehr weihnächtlich eingerichtet. Uns fällt vor allem eines auf: Es ist kalt! Eisig! Von 35°C tropischer Hitze direkt in 5 - 10°C trockene Kälte. Viel Zeit um uns dran zu gewöhnen bleibt uns nicht, trotzdem geniessen wir die Stunden in Paris sehr. Die Stadt an der Seine gefällt uns beiden einfach sehr. Das Flair, die Lichter, die Architektur. Wunderschön.



Am 29.12. um 13.50 Uhr startet unser Flug via Panama nach Uruguay. Wir landen am zweitletzten Tag von 2022 um 6.40 Uhr Ortszeit (vier Stunden zurück zur Schweiz) in Montevideo, Uruguay. Das nächste Abenteuer beginnt!

In Montevideo bleiben uns nun ungefähr drei Wochen. Wir wollen uns vorbereiten, unsere Spanischkenntnisse verbessern und unsere Route genauer planen. Während unserer Zeit in der RCA haben wir jedoch gelernt, dass planen zwar gut ist, aber einiges anders kommen kann als geplant. Und das ist auch gut so! Denn das macht das Reisen aus. Was wir bereits jetzt wissen: Unser Bus kommt später in Montevideo an als geplant. :)


Wir sind gespannt, wo uns unser Abenteuer noch hinführt, vor welche Herausforderungen wir noch gestellt werden und was wir noch alles lernen werden. Unser Aufenthalt in der RCA war jedenfalls schon eine riesige Bereicherung; die Leute, die Landschaft, die Kultur. Wir werden die sechs Wochen im Herzen von Afrika nie vergessen!

Singila mingi - Danke vielmals!

254 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Kulturschock

Comments


bottom of page