Reisebericht I Nordamerika
Ein Jahr Südamerika verändert und prägt einen ganz schön! Wir erlebten nun selbst, warum in Kulturschock, das Wort SCHOCK vorkommt. Wir würden sogar sagen, dass wir kürzlich den Kulturschock unseres Lebens hatten. Doch von Beginn an…
Tschüss Südamerika, Hallo Nordamerika
Wir verliessen Südamerika mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Mit dem lachenden, weil wir uns freuten, einen neuen Kontinent zu entdecken und mit dem weinenden, weil wir uns in dieser Kultur nach einem Jahr wirklich sehr wohl gefühlt haben. In Kolumbien verabschiedeten wir uns also von Südamerika. In Mexiko angekommen, merkten wir aber zum Glück schnell, dass wir jetzt zwar auf einem neuen Kontinent waren, die mexikanische Kultur aber doch noch sehr südamerikanisch ist. Wenn wir nun also von Südamerika schwärmen und erzählen, was uns dort so gut gefallen hat, gehört Mexiko automatisch auch dazu.
Hola México
Unser Start in Mexiko gestaltete sich jedoch sehr holprig. Wir gaben unser Auto in Cartagena, Kolumbien, für die Verschiffung nach Mexiko ab. In der Zwischenzeit verbrachten wir noch einige Zeit in dieser schönen Hafenstadt, flogen dann nach Bogotá, die Hauptstadt von Kolumbien, und im neuen Jahr 2024 ging’s dann, zum ersten Mal für uns, nach Nordamerika. Wir landeten in Cancún, DER Feriendestination von Mexiko. Es gibt wenige Orte auf dieser Reise, wo wir sagen, dass es uns dort nicht gefallen hat, Cancún gehört aber dazu. Der Strand und das Meer wären ein Traum - weiss und türkisfarben. Doch die Hotels, Bars und Clubs sind so nahe an den Strand gebaut, dass man davon gar nichts hat.
Wir waren dann froh, als wir Cancún und Playa del Carmen (ähnlich wie Cancún) nach wenigen Tagen wieder verlassen haben und es nach Veracruz am Golf von Mexiko ging. Denn dort sollten wir unser Auto ungefähr zwei Tage nach unserer Ankunft aus dem Hafen und dem Container abholen können. Doch eben, holprig war’s…. Oder besser gesagt, langweilig war’s! Unser Agent in Veracruz machte einen super Job, doch auch er konnte den Vorgang nicht beschleunigen. Nach zwei Wochen Wartezeit (nur in Veracruz), konnte er uns auch nicht mehr sagen, wie lange es noch dauern wird, bis wir unser Auto wieder erhalten. Willkommen in Mexiko. ;) Den Aufenthalt in unserem für vorerst drei Nächte gebuchten Hotel, mussten wir natürlich immer wieder verlängern. Erst nach knapp drei Wochen in Veracruz, einer Stadt, wo man ausser leckere Tacos essen und feinen mexikanischen Kaffee trinken, nichts unternehmen kann, kam das Telefon vom Agenten, dass wir unseren Jumper abholen können. Was für eine Erleichterung! Endlich konnten wir also mit dem Entdecken des neuen Kontinentes loslegen!
Mexiko zu bereisen ist eine wahre Freude! Wir fühlten uns von Anfang an sehr wohl und entdecken wunderschöne Landschaften, eine artenreiche Tierwelt, eine historische Kultur und unglaublich liebevolle und herzliche Menschen! Und das Tüpfchen auf dem «i» war ganz klar das kulinarische Angebot in Mexiko: Frische Tacos oder Quesadillas vom Strassenrand wurden ein fester Bestandteil unseres Essplans. Vier Monate verbrachten wir in diesem unglaublichen Land und liebten jede Ecke und jede Facette davon. Als Zusammenfassung gibt’s hier einige Bilder.
Jetzt aber zum Kulturschock
Diesen erlebten wir nämlich erst, als wir nach vier Monaten aus Mexiko aus- und in die USA eingereist sind. Bereits an der Grenze lief’s nicht ganz so wie geplant. Der Grenzbeamte auf der mexikanischen Seite meinte noch zu uns «Hay mucha fila.», also: «Es hat eine lange Schlange.», sprich wir müssten für die Einreise in die USA lange warten. Doch unser Navi führte uns zu einer Schlange, die überhaupt nicht lange war, im Gegenteil, sie war sehr kurz. Wir waren ein bisschen verwirrt und wurden natürlich noch nervöser, also wir sowieso schon waren. Denn anders als in Lateinamerika, konnten wir nicht einfach anhalten und uns umschauen und durchfragen, sondern mussten nun diesen kanalisierten Weg weiterfahren. Plötzlich stand ein Polizist vor uns und schreite uns an: «Was macht ihr denn hier?!» Ganz verwirrt nach so langer Zeit mal wieder jemanden englisch reden zu hören, antworteten wir, dass wir gerne in die USA einreisen möchten. Der Polizist war aber weiterhin sehr energisch und machte uns deutlich, dass wir für die Einreise als Touristen am falschen Ort seien. Weil dies ja aber unsere erste Einreise zu sein scheint, sei es noch ok. Aber beim nächsten Mal würde es 5000 Dollar Strafbusse geben. Huuuch! Hier weht ein anderer Wind!
Wir realisierten, dass wir die südamerikanische Kultur, die wir kennen und lieben gelernt haben, nun also definitiv hinter uns gelassen haben. Es gab noch eine Inspektion des Autos und dann waren wir schon in den USA. Aufgrund unseres Fehlers viel schneller als gedacht - alles hat auch was Gutes. :)
Pure Überforderung
Hinter der Grenze eröffnet sich einem eine komplett neue Welt! Die fünfspurige Autobahn, die Autos ohne Kratzer, die Leute mit Airpods in den Ohren. Der erste Eindruck in den USA war für uns vor allem eines: Überforderung pur! Die Stellplatzsuche erwies sich um San Diego, der ersten grossen Stadt nach der Grenze, zudem schwerer als gedacht. Wir endeten dann auf einem Walmart-Parkplatz, wo Übernachten eigentlich nicht wirklich erwünscht, aber doch geduldet wird.
Wir waren überfordert, müde und wären am liebsten direkt wieder zurück nach Mexiko. Zurück in die Welt, die uns so gut gefallen hat und wo wir uns so wohl gefühlt hatten. Und ich denke, genau diese Gefühle sind es, die einen Kulturschock definieren.
Unsere Reise durch die USA war also zumindest zum Start von vielen Emotionen und vielen Gedanken geprägt. Es war wirklich einfach ein Schock auf allen Ebenen, den wir so noch nie erlebt haben. Alles war anders, alles war grösser, alles war egoistischer und nicht alles war so glamourös, wie es einem angepriesen wurde. Und natürlich fragten (oder fragen wir uns noch immer): Ist es in der Schweiz auch so? Leben wir auch in so einem Land, wo jeder auf sich schaut, wo ein teueres und poliertes Auto mehr zählt, als das Zusammensein mit der Familie?
Versteht uns richtig, wir sind dankbar, in der Schweiz aufgewachsen zu sein und dort leben zu dürfen. Und wir freuen uns auch, bald dorthin zurück zu kommen. Gleichzeitig haben wir aber gemerkt, dass es gut tut, mal eine längere Zeit eine andere Kultur kennenzulernen. Denn von jeder anderen Lebensart kann man was lernen! An dieser Stelle drei Beispiele aus dem Alltag in Lateinamerika, die uns in unserem Kulturschock sehr bewusst geworden sind. Wir wollen uns eine grosse Scheibe der Lebensart der Lateinamerikaner abschneiden:
In der südamerikanischen Kultur zählt nicht, wie aufgeräumt oder schick dein Haus ist, sondern viel mehr, dass es immer und jederzeit offen ist für die ganze grosse Familie.
Es ist egal, welche Arbeit verrichtet wird, es zählt, DASS man eine Arbeit hat. Und noch wichtiger: Bei dem was man tut eine Dankbarkeit und Freudigkeit auszustrahlen.
Im ganzen Trubel und im ganzen für uns chaotisch erscheinenden Alltag, findet sich immer Zeit für Freunde und Familie. Man ist nicht so schnell gestresst und nimmt die Dinge einfach, wie sie kommen und findet kreative Lösungen für alles.
Wir können gar nicht sagen, wann genau wir den Kulturschock überwunden haben. Klar ist, die Gefühle hielten sich ziemlich lange und ziemlich hartnäckig. Wir wollten aber bewusst nicht immer nur dem alten «hinterher trauern», sondern uns aufs «neue», eigentlich bekannte, fokussieren und einlassen. So konnten wir langsam aber sicher unsere Gedanken sortieren und je länger je mehr das Reisen in den USA, in einem spektakulären Land geniessen. Die USA hat nämlich Landschaften, die wir so noch nie zuvor gesehen haben! Es war spannend, zu erkennen, dass nicht nur in der amerikanischen Kultur alles gross und übertrieben ist, sondern die Natur genau so ist! Während die Pickups der Amerikaner so breit und hoch sind, dass sie fast nicht mehr auf die Spur passen, sind auch ihre Canyons so hoch und so breit, dass sie irgendwie surreal wirken. Im Monument Valley oder im Valley of the Gods ragen Felsen aus dem Boden, die den Namen Berg fast mehr verdient hätten. Einfach echt atemberaubend!
Mittlerweile haben wir den Kulturschock definitiv überwunden. Trotzdem wollen wir uns die oben beschrieben Punkte (und noch einige mehr) auch für unsere Rückkehr in die Schweiz zu Herzen nehmen. Und natürlich sind wir gespannt, in welcher Art und Weise sich der Kulturschock raus aus Nordamerika und rein nach Europa, auswirken wird.
Wir werden’s bald erleben! Unser Bus befindet sich nämlich schon auf dem Atlantik auf Weg nach Europa. Und auch wir sind kürzlich in Deutschland angekommen und «warten» hier auf unser rollendes Zuhause. Bis bald!
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