Brasilien I Reisebericht
Schon vorab: In diesem Blogbeitrag geht es nicht darum, die touristischen Highlights von Brasilien aufzuzählen. Vielmehr möchten wir erzählen, wie dieses Land auf uns gewirkt hat, was wir erlebt haben und welche Begegnungen für uns unvergesslich bleiben werden. Wer also gerne wunderschöne Bilder sehen möchte, liest besser unseren vorherigen Blog: Auf ins grösste Feuchtgebiet - das Pantanal. Dort gibt's einen Einblick in die Natur- & Tierwelt des südlichen Brasiliens. Auch dieser Blog enthält Bilder, jedoch stehen diese ausnahmsweise nicht so sehr im Zentrum.
Zwischen Pantanal, Amazonas, weissen Stränden, Grossstädten, schönen Landschaften und Feldern sind wir unterwegs in Brasilien auf tausenden von Kilometern. Brasilien ist flächenmässig das fünftgrösste Land der Welt. Eigentlich war dieses riesige Land mit der gelb, blau, grünen Flagge gar nicht von Anfang an auf unserer Reiseliste. Wir wollten mehr oder weniger nur das Pantanal im Süden des Landes besuchen und dann weiter die Panamericana an der Westküste hochfahren. Doch irgendwie beschlossen wir dann doch, die für uns fast nur für Fussball bekannte Nation, selbst kennenlernen. Schlussendlich verbrachten wir fast drei Monate in Brasilien und darüber gibt’s natürlich einiges zu berichten.
Brasilien, ist das nicht gefährlich?
Diese Frage wurde uns immer wieder gestellt und vielleicht hast du dich genau das auch gefragt, als du mit Lesen begonnen hast. Gerade in Europa hört man ja auch tatsächlich schaudernde Geschichten aus Brasilien. Eines vorneweg: Wir haben uns ein bisschen in Brasilien verliebt, und das bestimmt nicht, weil es so «gefährlich» ist! :)
Im Gegenteil: Wir haben uns während unserer gesamten Aufenthaltszeit in Brasilien sicher und wohl gefühlt. Wir können uns ehrlich gesagt fast gar nicht vorstellen, warum es in diesem Land tatsächlich solche gefährlichen Orte geben soll. Bei allen Begegnungen mit den Einheimischen war ihre Lebensfreude, Offenherzigkeit und die gute Laune immer spürbar. Selbstverständlich waren wir trotzdem stets vorsichtig und hielten uns an die «Verhaltensregeln», die es aber in jedem Land zu beachten gibt. Wie beispielsweise in Städten halt für ein sicheres Parking zu bezahlen, nicht offensichtlich mit teuren Wertsachen durch die Gegend gehen oder in der Dunkelheit nicht fahren.
Immer wieder tauschten wir während dem Fahren aus (und wir sind viiel gefahren in diesem riesigen Land!), warum Brasilien in unserem Heimatland der Schweiz stets mit dem Adjektiv «gefährlich» in Verbindung gebracht wird. Denn eigentlich ist die Aussage «Brasilien ist gefährlich» ja sehr pauschalisiert. Brasilien ist fast so gross wie alle Länder von Europa zusammen! Und die Sicherheitslage in den europäischen Ländern ist ja in der Tat auch sehr unterschiedlich.
Für Touristen ist Brasilien echt nicht gefährlicher als andere Länder. Und die heissen Zonen lassen sich auf grosse Städte und dessen Agglomerationen beschränken, wo die Einheimischen leider tatsächlich teilweise mit Mord und Raub untereinander oder mit der Polizei zu kämpfen haben.
Zusammengefasst lässt sich sagen, ja, es gibt sie, die gefährlichen Orte in Brasilien. Das möchten wir keinesfalls verharmlosen! Jedoch konnten wir sie während unserem Aufenthalt nicht finden und möchten das beschreibende «gefährlich» definitiv von diesem wunderschönen Land trennen!
Jetzt aber genug über die Sicherheitslage, wo wir sowieso nur Aussagen für unsere Route, unseren Aufenthaltszeitraum und unser Verhalten treffen können, und zurück zu unseren Erlebnissen und Erfahrungen.
Ein Land voller Gegensätze
Unsere Reise startete im Süden von Brasilien. In Foz de Iguazu (hier findest du unsere Route) standen wir das erste Mal auf brasilianischem Boden. Anschliessend fuhren wir mit unseren Freunden durch das grösste Feuchtgebiet der Welt, das Pantanal. (Lies dazu gerne unseren Blog mit vielen, vielen Bildern). Danach ging’s einmal quer durchs Land bis an die Atlantikküste, wo wir einige ruhige Tage genossen haben. Zum Vergleich: Insgesamt waren es knapp 3000 Kilometer bis wir endlich das Meer erreicht haben; das ist mehr als einmal von Bern nach Kopenhagen und wieder zurück! Die Distanzen im grössten Land Südamerikas kann man sich einfach kaum vorstellen.
Nach der Zeit am Strand und in einer Küstenstadt, fuhren wir durch den Amazonas bis wir beim gleichnamigen Fluss ankamen. Auch dort verbrachten wir einige Tage im und am Wasser. Wir bestaunten den Zusammenfluss von zwei grossen Flüssen und beobachteten Flussdelfine vom Boot aus. Als Abschluss folgte nochmals eine lange Fahrt bis zur Grenze nach Peru. Bilder aller dieser Erlebnisse findest du ebenfalls auf Instagram.
Während dieser Zeit und all diesen Kilometern haben wir doch so einiges von diesem riesigen Land gesehen. Dabei haben wir gemerkt, dass es grosse Gegensätze gibt.
So ist der Süden des Landes voller riesiger landwirtschaftlicher Flächen, wie beispielsweise Baumwoll- oder Maisfelder oder riesige Weideflächen für Nutztiere. Die Felder und Weiden reichen meist bis zum Horizont, die Anwesen sind immens und die Gerätschaften und Fahrzeuge riesig. Im Süden des Landes sieht man auch sonst viele Villen, teure und schöne Autos und andere Statussymbole. Der Norden hingegen ist komplett anders. Man fühlt sich, als würde man ein anderes Land besuchen. Viele einfache Häuschen, teilweise mit Strohdächern, davor stehen ältere Autos, wenn überhaupt. Strassen sind oft in viel schlechterem Zustand und der Lebensstandard ist merklich niedriger. Diese Unterschiede sind dann nochmals innerhalb von Städten riesig. Grosse Hochhäuser direkt neben kleinen Häuschen in engen und heruntergekommenen Quartieren. Und teure Autos kreuzen sich auf der Strasse mit Personen mit zerrissener Kleidung.
Eines haben die beiden Teile des Landes aber gemeinsam: Egal wie arm oder reich, egal wie viel oder wenig Arbeit, man schliesst die Einwohner Brasiliens einfach sofort ins Herz! Man wird, egal wo, immer liebevoll und offenherzig empfangen. Für unser Empfinden ist die brasilianische Kultur eine der liebenswertesten und hilfsbereitesten von allen bis jetzt von uns bereisten Länder in Südamerika. Im Süden von Brasilien beispielsweise mussten wir in einem Laden etwas einkaufen. Die Mitarbeitenden waren so durch den Wind, dass Schweizer mit ihrem eigenen Auto vor ihrem Geschäft standen, dass sie für einen kurzen Moment ihre Arbeit vergassen. Da wir in diesem Laden jedoch nicht fündig wurden, schickten sie uns einige Strassen weiter in ein anderes Geschäft. Mario ging rein und kurz darauf stand er wieder, gemeinsam mit drei Mitarbeitern, um unser Auto herum. Sie alle wollten sehen, wie unser «Zuhause» aussieht. Obendrauf wurden wir vom Ladenbesitzer dann auch noch beschenkt, indem er uns das zu suchende Teil einfach gratis gab.
Und genau gleich im Norden: Bei der Fahrt an einen Strand war plötzlich eine riesige Sanddüne vor uns. Das Hochfahren klappte bestens, doch beim Herunterfahren gruben wir uns heftig im feinen Sand ein. (Ja, wir sind selber schuld. :) ) Wir begannen mit Buddeln, doch es windete so stark, dass der weggebrachte Sand innert Sekunden wieder unters Auto transportiert wurde. Nach nicht einmal 15 Minuten kamen plötzlich Einheimische vorbei, die uns ohne zu zögern beim Buddeln und Rausziehen halfen und uns sogar noch den Weg bis zu einem geeigneten Stellplatz im Dorf wiesen. Als wir dann zwei Tage später den Platz wieder verlassen wollten, stand die Sanddüne natürlich noch immer «im Weg». Dieses Mal schafften wir es aber ohne Hilfe hoch und auf der anderen Seite wieder runter. *Juhuii, wir haben schon etwas geschwitzt vor der steilen Auffahrt…* Die Dorfbewohner merkten natürlich, dass wir nicht mehr am Stellplatz standen (denn unser Stellplatz war nämlich AUF dem Dorfplatz) und kamen extra zur Sanddüne um nach uns zu sehen. Wir sind überzeugt, dass sie uns auch ein zweites Mal wieder geholfen hätten.
Dies sind nur zwei von wirklich – ohne Übertreibung – unzähligen solcher Erlebnisse mit den Brasilianern. Ihre Hilfsbereitschaft und Freudigkeit sind echt unübertrefflich!
Ein Land voller Überraschungen
In Brasilien kommt es oft anders als gedacht. Eine wunderschöne, neue Teerstrasse kann schlagartig aufhören und es folgen 50 km Staubpiste. Oder man bucht eine Tour, die dann aufgrund einer fehlenden Wegbeschreibung vom Veranstalter doch nicht stattfindet. Oder eine Tankstelle verwandelt sich an einem Samstagabend plötzlich zu einer Disco mit lauter Musik. Natürlich, dies ist in ganz Südamerika so, doch in Brasilien zog sich das mit den Überraschungen in den kleinen, wie in den grossen Dingen durch.
Da wir mit dem Camper unterwegs sind, ist es nicht immer ganz einfach grosse Städte zu besuchen. Denn das Fahren in Städten ist oft mühsam und anstrengend oder man findet in der Stadt selbst gar keinen Stellplatz. Mit einigen Vorbereitungen klappt natürlich auch das, wir haben ja schon viele Städte besucht; aber es ist immer mit etwas mehr Aufwand verbunden, als einfach irgendein landschaftliches Highlight zu besuchen. Die ganz grossen Städte, wie Rio de Janeiro oder São Paulo liessen wir auf dieser Reise aus, doch das werden wir bestimmt einmal nachholen!
Jedoch wollten wir auf dieser Südamerika-Reise zumindest noch in eine brasilianische Grossstadt fahren. São Luís, die Hauptstadt des Staates Barreirinha, lag für uns auf dem Weg. Mit gut einer Millionen Einwohner ist es für uns zwar eine sehr grosse Stadt, aber für brasilianische Verhältnisse gerade so normal. :)
In São Luís standen wir auf dem Parkplatz einer Promenade in einem schönen Quartier. Wir fühlten uns dort übrigens stets sicher. Mit uns auf dem Platz standen drei weitere Camping-Fahrzeuge: Ein älteres Ehepaar mit einem grossen Camper, ein Paar aus Rio de Janeiro mit einem kleinen VW T2 Kombi und ein junges Paar mit einem selbst ausgebauten Sprinter. Alle sind aus Brasilien und sie waren bereits einige Zeit gemeinsam unterwegs.
Wir wurden wie immer sehr, sehr herzlich in die Gruppe aufgenommen. Sie alle wussten, so glauben wir, nicht so richtig, wo die Schweiz ist, waren aber stolzer denn je, dass sie jetzt Leute aus DER Schweiz kennen. Passenten, die an der Promenade spazieren gingen, erfuhren oft sehr schnell, dass wir aus der Schweiz sind, ob sie es wissen wollten oder nicht.
Auch wie immer war die Kommunikation etwas schwierig, da wir leider kein Portugiesisch sprechen. Oft war es so (zu Beginn auch bei dieser Gruppe), dass jemand mit uns zu sprechen angefangen hat, wir geantwortet haben mit «Wir verstehen kein Portugiesisch», sie gesagt haben: «Ok», und dann einfach in derselben Geschwindigkeit weiter erzählt haben. Am Schluss kam dann oft die Frage: «Entende?», also: «Habt ihr’s verstanden?». Und als unsere Antwort dann natürlich ein zweites Mal «Nein, weil wir verstehen kein Portugiesisch» war, waren die Brasilianer immer sehr, sehr enttäuscht.
Mittels Deepl, Google Translator, einige Brocken Spanisch, Händen und Füssen klappte die Kommunikation mit unseren sechs neuen brasilianischen Freunden dann immer besser. Am Abend sassen wir oft zusammen draussen und plauderten (oder versuchten es zumindest) über alles Mögliche. Und auch da, immer wieder Überraschungen: An einem Tag war fast in ganz Brasilien plötzlich ein Stromausfall. Wir wussten nichts davon und waren glücklich, dass uns die Einheimischen am Mittag dann darüber informierten.
Oder: An einem Abend sassen wir alle gemütlich zusammen, es war bereits 21.00 Uhr und Mario & ich assen eine Kleinigkeit als Znacht im Bus. Danach setzten wir uns mit unseren Campingstühlen wieder in die gesellige Runde. Plötzlich tischte einer einen Kuchen und Kaffee auf, wo wir uns natürlich bedienen durften. Noch etwas später kamen dann Pommes und sonstige nahrhafte Leckereien dazu. Wir waren etwas verwirrt, assen aber dann natürlich mit, nachdem wir ja eigentlich schon zu Abend gegessen haben. So war das oft: Man redete selten über den Ablauf eines Tages / Abends oder wer was zu einem Essen beiträgt. Das «ergab» sich einfach irgendwie. Plötzlich tischte jemand etwas auf, eine andere ging während dieser Zeit Joggen und der Dritte packte seine Fischerrute raus. Wir passten uns natürlich an, waren aber immer wieder überrascht, was als Nächstes kam. :)
Ein Land der Neugierde
In Brasilien konnten wir selten in Ruhe an einem Ort stehen. «Woher kommt ihr?», «Wie gefällt euch Brasilien», «Seid willkommen», «Darf ich mal in euer Auto sehen?», das waren so die häufigsten Fragen oder Aussagen. Auf der einen Seite war dies sehr schön, aber teilweise auch sehr, sehr anstrengend. Einmal beispielsweise waren wir nach einem langen Fahrtag einfach nur müde und wollten schlafen. Da schlichen plötzlich vier junge Leute um unseren Camper herum. Als wir dann die Türe öffneten sprachen sie uns an und waren begeistert und komplett aus dem Häuschen. Der eine holte ein Mikrofon hervor und fragte, ob er einige Videos machen dürfte, er sein ein Influencer. So kam es dann, dass wir, komplett zerzaust und müde mit unserem Camper, ebenfalls zerzaust und müde. ;) in einem Reel auf dem Instagram-Profil eines brasilianischen Influencers mit immerhin etwas über 100'000 Follower, gelandet sind.
Und so lief das fast jeden Tag; an der Tankstelle, auf dem Einkaufsladen-Parkplatz, bei Stellplätzen und einfach überall. Manchmal starrten die Leute auch beim Vorbeigehen in unser Auto. Immer war die Neugierde gross und die positiven Emotionen nicht zu verbergen. Einige waren stolz, jetzt Leute aus der Schweiz «zu kennen», andere waren beeindruckt von unserem Camper und wieder andere freuten sich einfach, Touristen in ihrem Land willkommen zu heissen. Neugierde, ein Wort, welches die Brasilianer für uns am treffendsten beschreibt.
Übrigens erzählten wir den Brasilianern oft, dass die Schweiz Horizontal gerade einmal 350 Kilometer misst. Dies liess die sonst immer schlagfertigen Brasilianer dann jeweils für einen kurzen Moment sprachlos. :)
So gäbe es noch viel zu schreiben über Brasilien, dessen Landschaften und die Einwohner. Doch zusammengefasst, sind wir begeistert von allem. Am meisten aber werden uns die vielen lustigen, neugierigen, liebevollen, offenen und doch oft unverständlichen Begegnungen mit den Brasilianern in Erinnerung bleiben. Und von ihrer Lebensfreude, Offenherzigkeit und Neugierde wollen wir uns eine grosse Scheibe abschneiden!
In diesem Sinne: Herzlichen Dank, Brasilien, dass wir dich besuchen durften. Du wirst uns in bester Erinnerung bleiben und wir werden dich bestimmt eines Tages wieder besuchen!
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